Technologie

Gute Gründe für Simulatoren


Von Bruno Leclercq,

Will man pharmazeutische Darreichungsformen entwickeln, muss man sowohl die Formulierung mit ihren pharmazeutischen Wirkstoffen (API) und Hilfsstoffen als auch den Pressvorgang sorgfältig charakterisieren und verstehen.

Eine der größten Herausforderungen in dieser frühen Entwicklungsphase ist, dass der Wirkstoff für Laborversuche und das Scale-up des Herstellungsprozesses nur in begrenzter Menge zur Verfügung steht und sehr teuer ist. Kompaktierungssimulatoren sparen während des gesamten Lebenszyklus eines Wirkstoffs Material ein, angefangen von der Vorformulierung bis hin zur Fehlersuche in der Produktion und der Neuformulierung (Verlängerung des Lebenszyklus).

1. Kurze Historie der Kompaktierungssimulatoren

Kompaktierungssimulatoren entstanden in den frühen 1970er Jahren aus der Zusammenarbeit zwischen der pharmazeutischen Industrie in Europa und mehreren Universitäten. Ziel war es, die Lücke zwischen Exzenterpressen, kleinen Rundlaufpressen und großtechnischen Anlagen zu schließen.

Die erste Generation von Simulatoren diente ausschließlich dazu, Materialien und ihr Kompaktierungsverhalten zu analysieren. In den frühen 1980er Jahren war die zweite Generation schon in der Lage, Tablettenpressen im F&E- und Produktionsmaßstab zu simulieren. Allerdings stand diese moderne Technologie wegen der hohen Investitionskosten nur großen Pharmakonzernen zur Verfügung. Die neueste Generation der von MEDELPHARM entwickelten Kompaktierungs-
simulatoren bietet Wissenschaftlern ein ausgereiftes, einfach zu bedienendes und vielseitiges Werkzeug zur Entwicklung und Fehlersuche in der Tablettierung.

2. Instrumentierung

Moderne Kompaktierungssimulatoren sind voll instrumentierte Ein-Stationen-Pressen. Ausgestattet mit einem Oberstempel, einem Unterstempel und einer Matrize sind sie in der Lage, die Druckkinetik verschiedenster Hochleistungs-Produktionstablettenpressen zu simulieren. Sie können mit verschiedensten Tablettierwerkzeugen ausgestattet werden, wie z. B. runden und flachen D-Stempeln für F&E oder geformten und konkaven B-Stempeln für die Produktion. Diese Pressen werden hy-draulisch oder mechanisch angetrieben und erzeugen mit Hilfe präzise geregelter Stempelweg-profile unterschiedlichste Presskräfte. Dabei werden der Stempelweg und die auf die Stempel ausgeübte Kraft während des gesamten Tablettierzyklus überwacht. Diese Informationen und anschließende Analysen, wie z. B. die Heckel-Gleichung, liefern wertvolle Erkenntnisse, wie sich eine Materialprobe unter Druck verhält.

Wenn Kompaktierungssimulatoren mit instrumentierten Matrizen ausgestattet sind, kann der Druck gemessen werden, den das Pulver während des Press- und Ausstoßvorgangs auf die Matrizenwand ausübt. Zusammen mit der Messung der Oberstempelkraft, der Unterstempelkraft, der Ausstoßkraft und der Stempelposition lassen sich daraus nützliche Materialparameter berechnen, z. B. der maximale bzw. verbleibende Matrizenwanddruck. Mit weiteren Instrumentierungen (Sensoren) kann die Haftung einer Tablette am Stempel ("Kleben") überwacht und die Auswirkung der Matrizentemperatur auf den Pressvorgang untersucht werden.

3. Datenanalyse

Zu den gängigen Kompaktierbarkeitsprofilen für pharmazeutische Studien gehören Sägezahnprofile (V-förmig, linear), Profile mit verlängerter Druckhaltezeit (quadratisch) und Rundlaufpressenprofile (sinusförmig). Sinusförmige Profile beschreiben den Stempelweg auf der Druckrolle der Tablettenpresse genauer. Mit Sägezahnprofilen, die für eine konstante Stempelgeschwindigkeit sorgen, lässt sich hingegen die Verdichtung eines Pulverbettes besser untersuchen. Darüber hinaus können Simulatoren die Druckhaltezeit einer Pressung von Sekunden bis zu einigen Millisekunden variieren. So können maximale Stempelgeschwindigkeiten wie bei Exzenter- oder sogar modernen Hochleistungs-Rundlaufpressen (Druckhaltezeit < 10 ms) simuliert werden.

Kompaktierungssimulatoren sind nicht dafür konzipiert, die Prozesse vor der eigentlichen Pressung (Entleerung des Trichters oder Befüllung der Matrize) oder die Auswirkungen der Produktionszeit (Pulveraufbau oder -entmischung) zu untersuchen. Kompaktierungssimulatoren nutzen einen Schwerkraft- oder Rührflügelfüllschuh, um eine Materialprobe automatisch in die Matrize zu füllen. Das richtige Gewicht/Volumen des Pulvers wird vor dem Befüllen durch die Position des Unterstempels bestimmt. Das Pulver kann auch gewogen und manuell eingefüllt werden, falls nur wenig Material verfügbar ist oder die Fließeigenschaften ungünstig sind. Aus diesem Grund sind Kompaktierungssimulatoren besonders nützlich für Design-Experimente, da sie in kleinem Maßstab untersuchen können, wie sich die Rezeptur und der Prozess auf die Herstellungsleistung von festen oralen Darreichungsformen auswirken.

4. Extrem vielseitig: Der Kompaktierungssimulator STYL’One Evo

Der STYL'One Evo ist ein äußerst vielseitiger elektromechanischer Kompaktierungssimulator mit Funktionen für Einschicht-, Mehrschicht- und Mantelkerntabletten. Er kann nicht nur den Pressvorgang jeder beliebigen Tablettenpresse virtuell simulieren, sondern auch die Rollenkompaktierung für Machbarkeitsstudien zur Trockengranulierung nachbilden.

Die Software STYL'One Evo regelt die Presse, erfasst die erzeugten Daten und analysiert sie durch Aufzeichnung verschiedenster Parameter wie Herstellbarkeit, Tablettierbarkeit, Kompressibilität und Kompaktibilität. Für alle Datenparameter lassen sich zur Untersuchung von Porosität, Ausstoßbelastung und elastischer Rückdehnung sehr einfach individuelle Diagramme erstellen. Außerdem können Daten aus einem Tablettenprüfgerät automatisch zur Erstellung von weiteren Protokollen und Grafiken hochgeladen werden.

Die Software wurde mit unterschiedlichen Modulen für eine große Anzahl von Tablettenformaten konzipiert, ohne dabei die Benutzerfreundlichkeit und Ergonomie zu vernachlässigen. Es gibt vordefinierte und leicht zugängliche Presszyklen für mehr als 200 Produktionstablettenpressen und F&E-Druckprofile. Außerdem können neue Profile erstellt werden, um die Kompressionszeit von Vor- und Hauptdruck, die Relaxationszeit zwischen Vor- und Hauptdruck, die Zeit vor dem Ausstoß, die Ausstoßgeschwindigkeit und die Füllzeit zu bewerten.

Umfassende Kenntnisse der Produktions- und Entwicklungsprozesse und eine enge Verknüpfung von Software und Hardware sind für diese maßgeschneiderte Technologie unerlässlich.

MEDELPHARMs Wille zur Innovation und ihr Bestreben, Kundenanforderungen zu erkennen und umzusetzen, machen die STYL'One-Technologie zum führenden Produkt auf dem F&E-Markt. Zu den neuesten Entwicklungen gehören das Einstiegsgerät STYL'One Nano in Tischausführung und eine komplette Containment-Linie für die Handhabung hochwirksamer API.

Unser Dank gilt Dr. Gregory Thoorens für seinen Beitrag (Thesis of Gregory Thoorens) zu diesem Artikel.

Bruno Leclercq
Laboratory Director & Business Development, MEDELPHARM